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Was sind Loose?


LOOSE-GESCHICHTE IM ODERBRUCH

Wie alle Landschaften weist auch das Oderbruch eine Reihe von Merkmalen auf, die es von anderen im Osten Brandenburgs unterscheidet. Ein solches besonders auffallendes Merkmal stellen zweifellos die Bauernhöfe und Siedlerstellen dar, die scheinbar regellos zwischen den Ortschaften entlang der Straßen oder frei in der Feldflur liegend das Landschaftsbild ganz erheblich mitbestimmen. Mit all ihren Ähnlichkeiten, dabei aber auch nicht unerheblichen Unterschieden allein schon im Erscheinungsbild werfen sie für den Betrachter eine Reihe von Fragen auf, die keineswegs nur ästhetischer Natur sind. Zum besseren Verständnis der vorliegenden Gegebenheiten und für die Diskussion zum Umgang mit den Loose-Gehöften bis in die Zukunft hinein, kann ein kleiner Ausflug in die Entstehungsgeschichte vielleicht anregen.

Wir müssen zurück bis in die Reformzeit und beginnende Industrialisierung vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zur Reichseinigung 1871. Den Entwicklungen in allen gesellschaftlichen Bereichen konnten die tradierten Ordnungen und Strukturen zunehmend nicht mehr gerecht werden und machten Reformen notwendig. Diese vollzogen sich in den einzelnen deutschen Ländern bei allen Gemeinsamkeiten recht unterschiedlich. Preußen war das erste Land in Deutschland, welches diese als Stein-Hardenbergsche Reformen umfassend in Angriff nahm. Hierzu zählte mit ganz enormer Bedeutung die Gemeinheitsteilung und Separation, welche begleitet war von der Auf-hebung der Gutsuntertänigkeit – der sogenannten zweiten Leibeigenschaft – mit dem Gesindezwangsdienst, Frondiensten und anderen Belastungen für die Bauern. Diese hatte in ersten Ansätzen in Brandenburg – dabei nicht zuletzt auch im Oderbruch – bereits zuvor, vornehmlich unter Friedrich II., begonnen. Moderne Fruchtwechselwirtschaft, gebietsweise auch Koppelwirtschaft, die Einführung neuer Feldfrüchte wie u.a. Kartoffel, Mais und Tabak, Anbau von Kohl, Rüben, Raps, Flachs u.a. in der Feldwirtschaft sowie neu entwickelte Agrartechnik ermöglichten und verlangten eine rationellere Bewirtschaftung des Landes. Der Hintergrund sind u.a. das Bevölkerungswachstum, die Entwicklung von Manufaktur und Industrie und die damit einhergehende Vergrößerung der Städte beim Übergang zum Kapitalismus. Dem konnte die überkommene Dreifelderwirtschaft in Ge-mengelage mit Flurzwang nicht mehr entsprechen. Erste Separierungen zunächst der Gutsflächen vom Bauernland, um auf den Gütern eine rationellere, gewinnbringendere Bewirtschaftung zu ermöglichen, datieren schon von der Mitte des 18. Jahrhunderts. Zunächst überwog sowohl bei den Großgrundbesitzern wie auch den Bauern der Anteil an Beharrung und Widerstand. Nach mehreren Anläufen verfügte Friedrich II. 1777 für seine Domänen – und das betraf ein Gutteil des Oderbruchs (auch eine Besonderheit) -, als Beginn der Regulierung, daß alle Domänenbauern das Eigentum an ihren Höfen samt deren Vererbbarkeit erhielten und daß die Gutsuntertänigkeit aufgehoben wird. Den Gesindezwangsdienst verbot er bereits 1763.

Nicht von ungefähr nahmen in Brandenburg im Oderbruch schon vor 1811 auch die ersten Bauern ihr jeweils zusammengelegtes Land aus der Gemengelage der Gemeinde und bauten dort ihre Wirtschaften neu auf, und zwar 1786 deren drei in Letschin. Die große Mehrheit der Bauern und Kossäten scheute u.a. noch die hohen Kosten für Ab- und Wiederaufbau. Erst nachdem sie den wirtschaftlichen Erfolg sahen, separierten Anfang der neunziger Jahre weitere Bauern und Kossäten auf ihr Land. Ein erster Versuch wurde sogar schon 1776 in Neu-Lewin von drei Kolonisten unternommen, er scheiterte dort aber noch an der übrigen Gemeinde und dann auch der Domänenkammer.

Als Verfahren setzte sich dabei in der Folge bei größeren Separationen durch, die zusammengelegte Feldmark in neue Grundstücke aufzuteilen und diese zu verlosen. Dabei zog jeder Beteiligte nach Stand ein Los mit den Angaben über sein neues Grundstück. Dementsprechend wurde die betreffende Ge-samtfläche, die zur Verteilung gelangte, als Loose, das einzelne Grundstück als Loos bezeichnet. An dieser Stelle bietet sich an, darauf zu verweisen, daß hier zur damaligen Zeit der von Berlin ausgehende sprachliche Einfluß noch nicht im Oderbruch angelangt war, sondern das Plattdeutsch in einer seiner verschiedenen Varianten herrschte.

In der Folge, besonders aber nach 1810, kam die Separation in Fahrt und gewann an Umfang. Das war besonders dem sogenannten Oktoberedikt König Friedrichs III. von 1807 geschuldet, welches ab 1810 u.a. die Guts-untertänigkeit aufhob, sowie dem Regulierungsedikt von 1811 zur Regulierung der beiderseitigen Rechte und Pflichten der Gutsherren und Bauern, wozu besonders die Abschaffung des Obereigentumsrechts der Gutsherren an den Bauernwirtschaften gehörte. Weiter wurde mit der Ablösungsverordnung von 1821 die gesetzliche Grundlage für die Ablösung von feudalen Abgaben und Dienstleistungen geschaffen. Dieser Prozeß vollzog sich auch im Oderbruch nicht ohne Konflikte, Schwierigkeiten sowie örtlich bedingte Unterschiede und kam erst Ende der achtziger Jahre zu Ende.

Seither ist viel Zeit mit ihren Geschehnissen über die Loose mit ihren Gehöften hinweggegangen und hat ihre Spuren hinterlassen. Manche sind völlig verschwunden, andere nur noch als Ruinenreste in Feldgehölzen auffindbar, die meisten haben Verluste an ihren ländlichen Profanbauten – oft die Querscheune – aufzuweisen, einige haben Überformungen durch neuere Bauweisen, fast alle eine Umnutzung erfahren. Auch heute finden viele Resthöfe in den Loosen Interessenten, die sich ihrer annehmen und notwendigen Rekonstruktionen unterziehen. Auf das Ganze gesehen, stellen sie auch heute ihre Lebensfähigkeit unter Beweis, sind im Heimatgefühl der Oderbrücher verankert und stellen ein unverzichtbares Element der Oderbruchlandschaft dar.
(T. Förder)

LOOSE-LEBEN IM ODERBRUCH:
TIERE UND PFLANZEN DER LOOSE-GEHÖFTE

Wie Inseln auf weitem Feld oder angelehnt an Strukturen wie Wege oder dem Oderdeich liegen die Loose-Gehöfte im Oderbruch. Bewohnt, leerstehend, als Ruinen oder nur noch an ihrem Baumbewuchs erkennbar, stellen sie Relikte einstigen Bauernlebens in der Landschaft dar. Von den ca. 600 Loose-Gehöften im Oderbruch sind noch etwa die Hälfte vorhanden. Die Auswirkungen des 2. Weltkrieges und die massiven Eingriffe während der Komplexmelioration in den 1960er und 1970er Jahren, bei der ganze Höfe den Zielen der sozialistischen Landwirtschaft weichen mußten, gingen an ihrer Existenz nicht spurlos vorüber.

Bei einem „Loos“ im Oderbruch handelt es sich um ein Bauerngehöft inmitten der landwirtschaftlichen Nutzfläche. Es bestand ursprünglich aus dem Wirtschaftshof, meist zwei sich parallel gegenüber liegenden Ställen und der Hofscheune. Das Ensemble der Loose bilden auch der Nutzgarten, der zum Hof führende Weg mit Baumbeständen oder Hecken sowie unmittelbar angrenzende Gräben. Die dazugehörenden Felder sind heute zumeist verpachtet.

Wie stellt sich die besondere Bedeutung der Loose für die Tier- und Pflanzenwelt dar?
Bei der Betrachtung des Oderbruchs fällt es auf, daß im Odervorland und an den Höhenzügen eine reiche Naturausstattung vorhanden ist. Dagegen ist die Landschaft der weiten Ebene des Oderbruchs stark vom Menschen geprägt. Hier dominieren große und intensiv genutzte fruchtbare Ackerflächen. Gerade aber inmitten dieser Gebiete bilden die einzelnen Gehöfte mit ihren alten Baumbeständen einen besonders scharfen Kontrast und werten das Landschaftsbild durch ihre dargebotene Struktur deutlich auf. 

Die Besonderheit eines Loose-Gehöftes spiegelt sich in seiner Größe von ca. 5000 qm und mehr wider. Die Ausdehnung des Gehöftes läßt keine Pflege „bis in den letzten Winkel“ zu. Es existiert ein regelrechtes Mosaik von Nutzungsstrukturen, die eine große Artenvielfalt an Flora und Fauna hervorrufen. Verschiedene Hofelemente wie Nutzgarten, Obstgarten mit Grasland, Stall, Holzstapel, Dungstelle, Teich, Schutthaufen und Mauern ermöglichen einerseits die Ansiedlung von Tieren (u.a. Insekten, Amphibien, Kleinsäuger) und andererseits von Pflanzen wie Wermut, Guter Heinrich, Brennesseln, Breitblättriger Wegerich, Gänsefingerkraut und Gundermann. Als besonders wertvoll sind die Höfe hervorzuheben, die noch landwirtschaftlich genutzt werden. Dort funktionieren auf kurzen Strecken kleinräumig vielfältige Nutzungen nebeneinander, was ein abwechslungsreiches Biotop- und Nahrungsangebot für verschiedene Arten bewirkt. Ein Beispiel ist das reichhaltigere Insektenangebot für Rauch- und Mehlschwalben, das durch die Viehhaltung begünstigt wird.

Alte Baumbestände aus Eschen, Ulmen, Stieleichen, Apfel-, Birnen- und Pflaumenbäumen bieten Vögeln, Insekten und Kleinsäugern Schutz und Lebensraum. Baumhöhlen werden von Höhlenbrütern wie dem Wendehals genutzt. Bei alten Eichen und Weiden mit einem hohen Totholzanteil wurde z.B. auch der Eremit oder Juchtenkäfer (Osmoderma eremita) gefunden. Dieser ist als prioritäre Art nach Anhang II der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) sowie nach den Roten Listen Brandenburgs und Deutschlands als stark gefährdete Art geschützt.

Die Höfe kommen als Rückzugs-, Reproduktions- und Nahrungsgebiet für viele Artengruppen in Betracht. Loose in der offenen Agrarlandschaft können ihre Funktion als sogenannte Trittsteinbiotope oder Trittsteininseln u.a. der Ausbreitung von Pflanzen oder Tieren dienen bzw. diese fördern. Sie können auch als Teil von Biotopverbundsystemen betrachtet werden. Wenig durch Menschen frequentierte Räume, wie z.B. Dachböden, oder Gebäude, wie z.B. Ställe und Scheunen, bieten verschiedenen Tierarten Lebensräume.

Die Störungsarmut ist vor allem in leer stehenden Gebäuden bzw. Ruinen der Loose-Gehöfte sowie in Bereichen der Hofstelle gegeben. Aber auch bewohnte Loose können von einer Palette verschiedener Arten besiedelt werden. Gebäudenischen wie Simse und fehlende Mauersteine werden u.a. von Hausrotschwanz, Haussperling, Grünschnäpper und Bachstelze als Brutplatz angenommen. Spitzmäuse oder verschiedene Kröten nutzen Hohlräume wie Kellereingänge oder Treppen. In Gartenteichen in Odernähe kommen Kamm- oder Teichmolche vor. Ringelnattern nutzen die Dungstätten oder Komposthaufen der Höfe, um dort ihre Jungen aufzuziehen. Auch Nistkästen bei bewohnten Gehöften sollen hier nicht unerwähnt bleiben. Storchennester sind auf oder in unmittelbarer Nähe der Loose zu finden.

Bis zu 90 Vogelarten wurden bisher auf Loose-Gehöften registriert. Zu ihnen gehören u.a. Braunkehlchen, Eisvogel, Grünspecht, Kleinspecht, Schwarzspecht, Raubwürger, Rohrschwirl, Sumpfrohrsänger und Waldkauz. Auch für Säugetiere bieten sie einen idealen Lebensraum. Bis zu 26 Säugetierarten wie Igel, Feldhase, Maulwurf, Mauswiesel, Nordische Wühlmaus sowie Wasserspitzmaus wurden bisher auf den Loosen beobachtet. Loose bieten Lebensraum für verschiedene Fledermausarten wie das Große Mausohr, das Braune Langohr, die Breitflügelfledermaus, den Großen Abendsegler, die Wasserfledermaus und die Zwergfledermaus. Bei Jagdaktivitäten halten sich Fledermäuse an vorhandene Strukturen. Dabei sind besonders Feuchtgebiete auf Grund des Insektenreichtums, aber auch Alleen, Baumreihen und Gehölzgruppen von Bedeutung. Weite strukturfreie Landschaftsräume wie große Ackerschläge werden gemieden, da sie keine Echolot-Orientierung bieten. Kartoffelkeller und hohle Bäume werden als Winterquartier und Dachböden als Sommerquartier angenommen.

Die Beispiele zeigen, daß der Erhalt der Loose dazu beiträgt, eine Vielzahl gefährdeter und nicht gefährdeter Arten zu erhalten. Loose in unmittelbarer Nähe zum Oderdeich können im gesamten Odervorland Pufferzonen für die odernahen Schutzgebiete darstellen. Im Oderbruch befinden sich noch etwa 82 Loose-Gehöfte (bewohnt, leergezogen oder als Bauminseln) in einer Entfernung bis 500 m zum Oderdeich. Bei Überschwemmungen des Odervorlands, bei denen Brutvögel, Amphibien, Reptilien und Säugetiere das Gebiet verlassen müssen, können die Loose und ihre Randstrukturen für diese die Rettung sein.

Das Vorhandensein der Loose ist als Chance für den Arten- und Biotopschutz sowie für den Naturschutz im Oderbruch anzusehen. Nicht zuletzt sind die Loose als Zeugnisse regionaler Kultur- und Siedlungsgeschichte nicht nur für die Identifikation der einheimischen Bevölkerung ausschlaggebend, sondern unterstreichen auch die Besonderheit des Landstrichs für Besucher des Oderbruchs.
(S. Bartel)

QUELLEN:
Förder, Thomas: Loose-Geschichte im Oderbruch.- In: Zs. Heimatmagazin Lebuser Land (2006)2.- S. 10-12.
Bartel, Steffi: Loose-Leben im Oderbruch: Tiere und Pflanzen der Loose-Gehöfte.- In: Zs. Heimatmagazin Lebuser Land (2006)2.- S. 13-15.
Herbert, Peter (hg.): Zum Problem der Loose im Oderbruch.- Güstebieser Loose: Infothek Haus Birkenhain, 2006.- 19 S.